Brexit hin oder her; Corbyn zwischen Pest und Cholera

“Die fetten Jahre sind vorbei” so verkündete Olaf Scholz und wollte damit sagen, dass der kleine Mann jetzt mit Einschränkungen rechnen muss, ohne dass der bei den oberen Zehntausend angesammelte Reichtum angetastet wird. Vielleicht bekommen die Sozialhilfempfänger jetzt durch das Verfassungsgericht ein etwas größeres Almosen zugewiesen, aber an der Verteilung soll sich nichts grundsätzlich ändern. Es müssen immer Einige am und unter dem Existenzminimum vegetieren, zur Warnung und zur Bedrohung für alle, die sich in schlecht bezahlten Jobs herum plagen, obwohl sie wissen, dass sie von der erarbeiteten Rente kaum werden leben können.

Für Kapitalbesitzer ist die Ausbeutung der Arbeitskraft an Grenzen gestoßen: Eine Ausdehnung der Arbeitszeit lässt sich zur Zeit nicht durchsetzen und die Intensität der Arbeit kann nur noch mühsam gesteigert werden. Und Osteuropa versiegt zunehmend als Arbeitskräftereservoir für die Westeuropäer, während Ausbildung und Schulung der Arbeitskräfte immer aufwendiger werden.

Die Industriekonzerne und die Monopole haben riesige Kapitalmassen angehäuft, die mit hoher Profitrate verwertet werden sollen. Automatisiertes Fahren aber und ein Ersatz des Verbrennungsmotors stehen dem entgegen und würden eine Zentralisation des Kapitals erfordern, noch zögern Industrie- und Bankkapital. Eine Verwertungsstörung des Kapitals wird sichtbar. Die Ökonomen sprechen von den Unternehmen als Nettosparern.

Bei der Konkurrenz der Kapitalgruppen war die deutsche politische Klasse am dienlichsten: sie schaffte es Osteuropas Arbeitskräfte in Deutschland zu integrieren und den größten Niedriglohnsektor in Europa einzurichten und gleichzeitig Arbeitskämpfe weitgehend zu vermeiden. In der Durchsetzung der Erfordernisse der Austerität erlangte Deutschland die Führung und konnte sogar Griechenland und Italien seine Hegemonie aufzwingen.

Die britische Insel aber blieb in diesem Ringen um die Vorherrschaft zurück. Das Finanzzentrum London generierte selbst nur wenig Mehrwert, offenbarte aber die große Kluft zu der arbeitenden Bevölkerung, die unter der von Deutschland dominierten, neoliberalen Brüsseler Zwangsjacke stöhnt. Und die britische, politische Klasse bäumt sich auf und trauert der imperialen Größe nach. Sie veranstaltet ein Schauspiel (Theaterutensilien sind reichlich im Gebrauch) als würde sie stellvetretend für das Volk rebellieren, als würde sie keine Billiglohnkräfte mehr aus dem Ausland ins Land lassen, als würde sie die gesundheitliche Versorgung mit mehr finanziellen Mitteln ausstatten, als würde sie mit separaten Handelsverträgen den ungeregelten Kapitalverkehr der Monopole zugunsten von kleinen Gewerbetreibenden einschränken, um am Ende das von Brüssel repräsentierte Austeritätsregime einschließlich der deutschen Vorherrschaft zu akzeptieren.

So gelingt es viel überzeugender das Publikum darauf einzustimmen, dass es mit weiteren Einschränkungen rechnen muss, als mit der plumpem Formulierung, dass die fetten Jahre vorbei seien.

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